Kantstraße

Immanuel Kant (1724-1804) war ein weißer deutscher Philosoph, der im Rahmen der europäischen Aufklärung maßgeblich an der Entstehung der modernen europäischen Philosophie beteiligt war. Er publizierte unter anderem zu Themen der Religions-, Rechts-, Moral- und Geschichtsphilosophie sowie zur Astronomie und entwickelte das Konzept des kategorische Imperativs.¹ Vor allem jedoch wirkte er mit Publikationen wie „Von den verschiedenen Racen der Menschen“ (1775) und „Bestimmung des Begriffs einer Menschenrasse“ (1785) maßgeblich an der Etablierung vermeintlich „wissenschaftlicher“, biologistischer „Rasse“theorien und der damit einhergehenden gewaltvollen Hierarchisierung von People of Colour zur Legitimation kolonialer europäischer Expansionsbestrebungen mit.

In seinen „Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen“ (1764) nimmt Kant die in „Von den verschiedenen Racen der Menschen“ weiter ausdifferenzierte Hierarchisierung von Menschen unterschiedlicher Herkunft bereits vorweg:

„[…] daß unter den hunderttausenden von Schwarzen, die aus ihren Ländern anderwärts verführt werden, obgleich deren sehr viele auch in Freiheit gesetzt werden, dennoch nicht ein einziger jemals gefunden worden, der entweder in Kunst oder in Wissenschaft, oder irgend einer andern rühmlichen Eigenschaft etwas Großes vorgestellt habe, obgleich unter den Weißen sich beständig welche aus dem niedrigsten Pöbel emporschwingen und durch vorzügliche Gaben in der Welt ein Ansehen erwerben. So wesentlich ist der Unterschied zwischen diesen zwei Menschengeschlechtern, und er scheint ebenso groß in Anlehnung der Gemüthsfähigkeiten, als der Farbe nach zu sein.“²

Die Vorstellung von der „Entwicklung“ verschiedener Gemeinschaften an deren Spitze Europa als Maßstab gesetzt wird und von dieser Norm aus alle anderen Gesellschaften hierarchisch eingeordnet werden, ist zentral in Kants Werken.³ Diesem auch heute noch wirksamen Diskurs von “zivilisiert” vs. “unzivilisiert” (analog: Kultur vs. Natur) ist ein weißer eurozentrischer Blick eingeschrieben. Von Weißen dominierte Gesellschaften werden aus dieser weißen Perspektive im „Entwicklungs“diskurs als fortschrittlich eingeordnet.

Ausgehend von seiner These eines einheitlichen Ursprung der Menschen postulierte Kant genetische Faktoren für die Unterscheidung in „Rassen“. Er entwickelte ein hierarchisches Modell der Einteilung von Menschen in vier „Rassen“ mit geographischen Zuschreibungen, an deren Spitze die von ihm vor allem in Europa verorteten Weißen ständen. Außerdem unterscheidet Kant in „Bestimmung des Begriffs einer Menschenrasse“ (1785) zusätzlich zwischen angeborenen Merkmalen und den Lebensumständen der Menschen und ordnet so Schwarze Menschen in Europa auf seiner „Zivilisationsskala“ höher ein als Schwarze in Afrika.

Kant trug mit seinen „rasse“theoretischen Abhandlungen maßgeblich zur Konstruktion von Weißsein im rassistischen Machtgefüge bei, indem er Weiße in Abgrenzung zu People of Colour zur „zivilisierten“, „entwickelten“ Norm stilisierte.

Nach ihm ist die Kantstraße im Würzburger Stadtteil Frauenland benannt.

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1 https://de.wikipedia.org/wiki/Immanuel_Kant (abgerufen am 11.12.2015)

2 Kant, Immanuel: Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen (1764, S. 253); zitiert in: Piesche, Peggy: Der der Aufklärung – Kants und die Zentrierung des weißen Subjekts. In: Eggers, Kilomba, Piesche & Arndt (Hg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland (2009 S. 32)

3 Vgl. Piesche, Peggy: Der der Aufklärung – Kants und die Zentrierung des weißen Subjekts. In: Eggers, Kilomba, Piesche & Arndt (Hg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland (2009 S. 33)

4 Ebd. S. 35

5 Kant, Immanuel: Bestimmung des Begriffs einer Menschenrasse (1785, S.92-95)

6 http://wuerzburgwiki.de/wiki/Kantstra%C3%9Fe (abgerufen am 11.12.2015)